DEEP DIVE: Führung für die Nachhaltigkeitstransformation im Kulturbetrieb

Die Themen Nachhaltigkeit und Betriebsökologie nehmen auch im Kultursektor an Fahrt auf! Die Segel sind gesetzt, das Ziel ist klar: Net Zero oder die sogenannte Netto-Null. Doch wie gelangen wir dahin und welche Rolle spielt Führung in diesem Prozess? Im folgenden Artikel soll anhand der Initiative Elf zu Null: Hamburger…

Die Themen Nachhaltigkeit und Betriebsökologie nehmen auch im Kultursektor an Fahrt auf! Die Segel sind gesetzt, das Ziel ist klar: Net Zero oder die sogenannte Netto-Null. Doch wie gelangen wir dahin und welche Rolle spielt Führung in diesem Prozess? Im folgenden Artikel soll anhand der Initiative Elf zu Null: Hamburger Museen handeln geschildert werden, wie Führung im Kontext einer betriebsökologischen Transformation verstanden werden kann und welche Maßnahmen sich als hilfreich erwiesen haben. Elf zu Null ist die Nachhaltigkeitsinitiative von elf Hamburger Museen, Ausstellungshäusern und Gedenkstätten. Ziel ist, im Einklang mit dem Hamburger Klimaplan bis 2045 Nettonull-Emissionen zu erreichen. Faktenbasiert, handlungsorientiert und gemeinsam arbeiten die beteiligten Häuser an der Transformation und wollen damit andere Organisationen ebenfalls zur Veränderung inspirieren.

Doch nun zur Rolle der Führung: Nachhaltigkeit ist eines der Themen, an denen ein traditionelles Führungsverständnis häufig an seine Grenzen stößt (vgl. Pichel u.a. 2022, S. 108). Denn um eine ganzheitliche Transformation in Bewegung zu bringen, ist der Einbezug aller Hierarchien und Aufgabenbereiche nötig. Um das Potenzial aller in diesen Prozess einfließen zu lassen, betrachten wir in Elf zu Null Führung als eine geteilte Aufgabe Mehrerer (distribuiert) und in alle Richtungen (multidirektional). Top-Down-, Bottom-Up- und Laterale Führung greifen ineinander. Es gibt darin keine zentrale Steuerung, sondern vielmehr ein moderiertes Wechselspiel von Impulsen zwischen den beteiligten Stakeholdern, um das geteilte Ziel zu erreichen.

Darstellung der wesentlichen Stakeholder- und Führungsbeziehungen bei Elf zu Null. Quelle: Elf zu Null

Doch was braucht es konkret für eine erfolgreiche Transformation? Unserer Erfahrung nach braucht es neben handfesten Ressourcen vor allem einen Rahmen des konkreten, gemeinsamen Handelns, denn die Nachhaltigkeitstransformation wird von Menschen auf allen Ebenen gemacht. Diese gilt es einzubinden und zu empowern. Bei Elf zu Null haben sich folgende Maßnahmen als erfolgreich erwiesen:

Raum schaffen: Bei Elf zu Null hat die Leitungsebene eine primäre Aufgabe: Den Raum für die vielen Beteiligten zu schaffen und zu halten. Sprich: Sie muss sicherstellen, dass die Beteiligten wissen, dass sie sich in den Prozess einbringen dürfen (Auftrag), können (Kompetenz, Ressourcen) und wollen (Motivation).

Willige zuerst: Wir fangen mit jenen an, die ohnehin Interesse haben – und das sind viele. Wir helfen den interessierten Mitarbeitenden sich entsprechend weiter zu bilden und darüber Handlungsmacht zu gewinnen. Diese Kolleg*innen tragen die Transformation weiter wie in einem Schneeballsystem in die Teams und ihre Beteiligung oft als Chance für ihre Entwicklung.

Kommunikation: Bei Elf zu Null legten wir von Beginn an Wert auf eine hochwertige interne und eine professionelle externe Kommunikation. Dadurch vermitteln wir Wertschätzung und Ernsthaftigkeit – „Ja, wir meinen das ernst“ – und bieten zugleich Identifikationsmöglichkeiten an. Titel und Logo fungieren gleichzeitig als Wiedererkennungsmerkmal, um Multiplikator*innen, Unterstützer*innen und weitere externe Stakeholder zu erreichen.

Gemeinsam geht es besser!: „Team work makes the dream work“, diese Erfahrungen haben wir auch gemacht. So vieles an Wissen ist schon da! Deshalb legen wir besonderen Wert auf den Austausch in der Gruppe. Elf zu Null eignet sich bestens, um Good Practices zu teilen und zu skalieren. Und natürlich auch, um sich miteinander an Projekten zu arbeiten, Lobbyarbeit zu betrieben und sich in schwierigen Phasen zu motivieren.

Meilensteine feiern: Jede gelungene Veränderung ist kostbar, weil sie ein positiver mentaler Anker ist. Gerade angesichts des manchmal überbordenden Drucks der Klimakrise sind konkrete Erfolge willkommene Gelegenheiten, um zusammenzukommen, die eigene Handlungsmacht zu spüren, stolz zu sein und sich gegenseitig zu feiern. So wird nicht nur die Motivation einzelner, sondern auch die Teamdynamik gestärkt.

Unsere Organisationen transformieren wir nicht von einem Tag auf den anderen, sondern Schritt für Schritt, getragen vom Mantra „Es kann auch gut werden“. Darin schwingt mit, dass wir Nachhaltigkeit nicht nur als Verzicht begreifen wollen, sondern als Chance unseren (musealen) Alltag neu zu gestalten. Bald schon werden wir verändert auf unsere dekarbonisierten Institutionen zurückschauen und uns fragen: Warum eigentlich nicht früher?

Quelle: Pichel, Kerstin/Heinrich Tschochohei/Lisa-Marie Guta (2022): Leadership für nachhaltiges Wirtschaften, in: Annett Baumast/Jens Pape (Hrsg.), Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, 2. Aufl., Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, S. 102–127.

Autor:innen

Der Kulturmanager Alexander Stockinger (*1986) studierte Germanistik und Theaterwissenschaft (Diplom) und General Management (MBA). Berufliche Stationen führten ihn an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und das Berliner Humboldt Forum. Seit März 2021 ist er Kaufmännischer Geschäftsführer/Vorstand des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg. Dort initiierte er 2022 die Nachhaltigkeitsinitiative „Elf zu Null: Hamburger Museen Handeln“. Alexander Stockinger ist zertifizierter Organisationsentwickler und hat zu diversen Kulturmanagementthemen publiziert und gelehrt.

Caroline Markiewicz (*1994) studierte Anglistik und Amerikanistik (BA) sowie Kultur- und Medienmanagement (MA). Sie begleitete den Start der Nachhaltigkeitsinitiative „Elf zu Null: Hamburger Museen Handeln“ als Koordinatorin und arbeitet seit Mai 2023 als Netzwerkmanagerin für Elf zu Null.

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