Ein Hoch auf Trockenklos- das unterschätzte Potential von Events

„Klos, Klos, Klos“- ist euch auch schon aufgefallen, dass heute mehr über Klos zu hören und zu lesen ist als sonst? Das sonst eher unpopuläre bis unangenehme Thema bekommt jährlich am 19.11 – am Welttoilettentag oder auch World Toilet Day- eine Bühne geboten. 2001 wurde dieser von den Vereinten Nationen…

„Klos, Klos, Klos“- ist euch auch schon aufgefallen, dass heute mehr über Klos zu hören und zu lesen ist als sonst?

Das sonst eher unpopuläre bis unangenehme Thema bekommt jährlich am 19.11 – am Welttoilettentag oder auch World Toilet Day- eine Bühne geboten.

2001 wurde dieser von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass 40% der Weltbevölkerung keinen oder nur bedingt Zugang zu hygienischen Sanitäreinrichtungen haben. In einer Zeit, wo wir durch die AHA- Regeln alle sensibilisiert sind, dass Hände waschen ein wichtiger Aspekt gegen die Verbreitung von Viren ist- können wir uns die Auswirkungen fehlender Sanitäranlage mittlerweile noch deutlicher vorstellen.

Aber was hat der Welttoilettentag mit Green Events zu tun?

Goldeimer ist den meisten Hamburger:innen wahrscheinlich bereits ein Begriff.  Das gemeinnützige Unternehmen aus Norddeutschland setzt sich seit Jahren für Themen rund um Klos ein und unterstützt zusammen mit Viva con Aqua WASH-Projekte im In- und Ausland. Angefangen hat Goldeimer damals mit ihren Trockenklos für Festivals, um eine nachhaltige Alternative zu den üblichen Chemietoiletten zu bieten und nutzt seitdem die Plattform für die Verbreitung ihrer Message „Alle für Klos! Klos für alle!“.

Wir wollen den Tag zum Anlass nehmen, um euch einen weiteren Akteur im Trockenklo-Business vorzustellen- finizio. Das Eberswalder Startup hat sich vorgenommen mit ihren innovativen Festivaltoiletten Veranstaltungen zukunftsfähiger zu gestalten. Dabei steht Wertschöpfung ganz oben auf ihrer Prioritätenliste- finizio hat die deutschlandweit erste Pilotanlage für die ganzheitliche Verwertung von Trockentoiletteninhalten in Betrieb genommen und schafft so den Umschwung von Linear- zur Kreislaufwirtschaft für Klos auf Großveranstaltungen.

Lest im Interview mit Jolanthe Stelzer von finizio, wie sie das anstellen und welche Vorteile, das für die Veranstaltungen und die Zukunft hat:

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Jolanthe Stelzer, finizio, Fotocredit: © Finizio – Future Sanitation

Was ist der große Vorteil von Trocken- zu Chemietoiletten, besonders für Veranstaltungen?

“Trockentoiletten sind Anfang und Ende eines natürlichen Wertstoffkreislauf, der Ressourcen aufbaut, anstatt sie zu vernichten.
Werden Fest- und Flüssigstoffe an der Quelle getrennt erfasst, können die Nährstoffe im Urin und Kot effizient recycelt, Medikamentenrückstände eliminiert und Krankheitserreger inaktiviert werden. So entstehen hochwertige Recyclingdünger, die in Deutschland bis zu 20 % der konventionellen Dünger ersetzen könnten. Auf diese Weise würden enorme Mengen an Energie gespart werden. Immerhin verursacht die künstliche Düngemittelherstellung 1,2 % und das Betreiben von Kläranlagen 3 % des globalen Energiebedarfs. ­Im Vergleich zur konventionellen Toilette sparen Trockentoiletten darüber hinaus fünf bis zehn Liter Trinkwasser je Spülvorgang.

Besonders auf Großveranstaltungen können Trockentoiletten auch noch auf andere Weise die Ökobilanz steigern. Denn für einen wesentlichen CO2– Ausstoß ist hier der Transport von Unmengen an Toiletten verantwortlich. So ist unserer Meinung nach eine Transporteffizienz und Massentauglichkeit bei Festivaltoiletten unerlässlich. Dank der falt- und stapelbaren Leichtbauweise stapeln wir bei Finizio, wo sonst sechs Kabinen Platz finden, auf 8 m² Ladefläche ungeschlagene 40 Trockentoiletten. Mit einem klassischen Sattelzug­ könnten wir bis zu 200 Festivalkabinen anliefern und den Treibstoffverbrauch auf beeindruckende 0,175 l Diesel/100 km je Toilette reduzieren.

Natürlich bringen Trockentoiletten auch einen hohen Benutzerkomfort mit sich. Allein schon durch die Trennung der Fest- und Flüssigstoffe, mittels einer Urinableitung (wie der PeePot bei unseren In- und Outdoor-Toiletten) oder einem Drainagesystem unserer Festivaltoilette, wird eine Geruchsbildung vermieden. Zusätzlich sorgt Einstreu für weitere Geruchsminderung und verdeckt die Hinterlassenschaften für den nächsten Gast. Die Trennung der Stoffe ist außerdem hygienischer, erhöht die Auffangkapazität und bildet die Basis für eine effiziente Verwertung.”

Ihr habt ein Pilotprojekt gestartet zur Verwertung von den Inhalten der Trockentoiletten, inwieweit ist das bahnbrechend für die Zukunft von Veranstaltungen?

“Die Verwertung von Inhalten aus Trockentoiletten zu hochwertigen Recyclingdüngern ist nicht nur bahnbrechend für Veranstaltungen, sie ist vielmehr DIE globale Antwort für eine Nährstoffwende und regionale Kreislaufwirtschaft.
Auf unserer deutschlandweit einzigartigen Pilotanlage verwerten wir nach einer „Kontrolliert Sauerstoffversorgten Kompostierung” (KSK) die Feststoffe zu hochwertigem Humusdünger aus Inhalten von Trockentoiletten (H.I.T.). Auf dem Acker ausgetragen sorgt dieser für einen höheren Humusgehalt, also mehr Fruchtbarkeit und eine ­höhere Wasser- und Nährstoffspeicherfähigket. H.I.T. stellt somit einen unverzichtbaren Faktor für eine Widerstandsfähigkeit unserer Böden gegenüber Extremwetterereignissen und Klimaresilienz dar.
Im Vergleich zu herkömmlichen (mineralischen und tierischen) Düngemitteln entstehen dabei geringstmögliche Nährstoffverluste durch Versickerung, Ausgasung und Erosion. Im Gegensatz zu Gülle, die sich nachteilig auf die Bodenbiologie auswirkt, bietet H.I.T. ein ausgewogenes, für Pflanzen gut verfügbares und stabiles Nährstoffverhältnis. Gleichzeitig speichert Humus Kohlenstoff im größten CO2-Speicher der Welt: dem Boden – eine sogenannte CO2-negativ Technologie. Neben H.I.T, der aus Feststoffen gewonnen wird, beinhaltet Recyclingdünger aus menschlichem Urin bis zu 20 Mal weniger Kadmium als konventionelle Phosphatmineraldünger.

Im Juni 2021 starteten wir mit den Kreiswerken Barnim und renommierten Forschungspartner:innen das Projekt “zirkulierBAR”: den Aufbau einer in Europa bislang einmaligen und skalierbaren Back-End-Anlage für Trockentoiletten mit Humusregalen und Urinaufbereitung. In diesem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten dreijährigen Projekt, lassen wir die Qualität unseres H.I.T. in Labor- und Feldversuchen prüfen.
» zirkulierbar.de «
Als Gründungsmitglied des Netzwerks für Nachhaltige Sanitärsysteme ­e.V. arbeiten wir im Verbund mit anderen Trockentoiletten-Aktivist:innen an einer europaweiten Nährstoffwende durch die Legalisierung von H.I.T. und der Aufklärungskampagne „YouDontKnowShit“.”

Was passiert normalerweise mit den Inhalten von Trockentoiletten?

“Die Toiletteninhalte aus konventionellen Toiletten fallen unter das Abwasser- bzw. Abfallrecht und werden dementsprechend entweder der Kanalisation/Klärwerk oder Verbrennungsanlage zugeführt. Im Fall der Trockentoilette handelt es sich um getrennt vom Abwasserstrom aufgefangene Fäkalien, für die es in keinem der Gesetzestexte konkrete Behandlungsvorgaben gibt. Wir arbeiten derzeit für eine Novellierung dieser prekären Gesetzeslage und plädieren, bei entsprechend eingehaltenen seuchenhygienischen Standards, für eine Aufnahme “sanitärer Nebenstoffströme” in die Düngemittelverordnung, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und der Klärschlammverordnung.
Da unsere Verwertungsanlage bisweilen deutschlandweit die einzige offiziell genehmigte Verwertungsstelle ist, lassen einige befreundete Trockentoilettenunternehmen, wie z. B. Goldeimer und Ecotoiletten ihre Inhalte bei uns verwerten. Mit der Pilotanlage als Basis und dem zirkulierBAR-Projekt als wissenschaftliche Begleitung möchten wir die rechtlichen Hürden in den nächsten Jahren überwinden und zukunftsweisende Sanitärsysteme sowie deren Verwertungsinfrastruktur für eine Nährstoffwende in Deutschland und darüber hinaus etablieren.”

Vielen Dank an Jolanthe Stelzer für das Interview.

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