Für und Wider der Mehrwegangebotspflicht: Der Hamburger Hafengeburtstag 2023

Foto: Nina Laible
Vom 05.-07. Mai 2023 wurde der Hamburger Hafengeburtstag gefeiert, zu dem über 1.1 Millionen Besucher:innen kamen. Seit Januar 2023 besteht die Mehrwegangebotspflicht und wir werfen einen Blick darauf, wie damit auf einem Teil des Hafengeburtstags umgegangen wurde. Doch bevor wir zum Hafengeburtstag kommen, gehen wir genauer auf die manchmal unübersichtliche…

Vom 05.-07. Mai 2023 wurde der Hamburger Hafengeburtstag gefeiert, zu dem über 1.1 Millionen Besucher:innen kamen. Seit Januar 2023 besteht die Mehrwegangebotspflicht und wir werfen einen Blick darauf, wie damit auf einem Teil des Hafengeburtstags umgegangen wurde.

Doch bevor wir zum Hafengeburtstag kommen, gehen wir genauer auf die manchmal unübersichtliche rechtliche Lage rund um Einwegplastikartikel sowie auf die Mehrwegangebotspflicht ein.

Grundlage der Mehrwegangebotspflicht ist die sog. Richtlinie 2019/904/EU (Einwegkunststoffrichtlinie), die dazu dient kurzlebige Kunststoffverpackungen zu vermeiden, zu reduzieren oder zu verbieten. EU-Richtlinien werden anhand von verschiedenen Rechtsakten in nationales Recht umgesetzt. Ziel der Einwegkunststoffrichtlinie ist eine ehrgeizige und dauerhafte Verminderung des Verbrauchs von Einwegkunststoffartikel. Die Maßnahmen müssen bis 2026 gegenüber 2022 eine messbare quantitative Verminderung des Verbrauchs herbeigeführt haben.

Einwegkunststoffverbotsverordnung

Einer der Rechtsakte ist die Einwegkunststoffverbotsverordnung, die den Verkauf von bestimmten Einwegkunststoffartikeln durch Hersteller:innen in Deutschland seit dem 3. Juli 2021 verbietet. Dazu gehören folgende Produkte:

  • Besteck, insbesondere Gabeln, Messer, Löffel und Essstäbchen
  • Teller
  • Trinkhalme
  • Rührstäbchen
  • Wattestäbchen
  • Luftballonstäbe, die zur Stabilisierung an den Luftballons befestigt werden, einschließlich der jeweiligen Halterungsmechanismen
  • Lebensmittelbehälter aus expandiertem Polystyrol (auch bekannt als Styropor), also Behältnisse für Lebensmittel, die
    • dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder zum Verzehr mitgenommen zu werden,
    • in der Regel aus dem Behältnis heraus verzehrt werden und
    • ohne weitere Zubereitung wie Kochen, Sieden oder Erhitzen verzehrt werden können;
  • Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel
  • Getränkebecher aus expandiertem Polystyrol einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel
  • Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff, der sich in besonders schwer zu entsorgende Mikropartikel zersetzt, aber nicht weiter abbaut.

Eine Ausnahme ist, dass Warenbestände von Händler:innen auf unbestimmte Zeit abverkauft werden dürfen.

Bild: Bundesregierung
Bild: Bundesregierung

Pfandpflicht

Zudem trat am 01. Januar 2022 eine Änderung im Verpackungsgesetz in Kraft, womit alle Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff und alle Getränkedosen pfandpflichtig wurden. Eine Übergangsfrist bis 2024 gilt lediglich für Milchgetränke in Plastikflaschen.

Mehrwegangebotspflicht

Ein weiterer Baustein zur Umsetzung der eingangs erwähnten Einwegkunststoffrichtlinie ist die seit dem 1. Januar 2023 deutschlandweit geltende Mehrwegangebotspflicht für Letztvertreiber:innen von Einwegkunststoffverpackungen. Letztvertreiber:innen sind bspw. Restaurants, Cafés oder Bistros, aber grundsätzlich auch für Stände, Imbisse und Foodtrucks. Letztvertreiber:innen müssen nun Mehrwegalternativen für Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und Einweggetränkebecher anbieten. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Einwegkunststofflebensmittelverpackung?

  • Einwegkunststoffverpackungen bestehen gänzlich oder teilweise aus Kunststoff,
  • sind Behältnisse wie Boxen mit oder ohne Deckel,
  • die für Lebensmittel zum unmittelbaren Verzehr oder als Mitnahmegericht gedacht sind.

Mehrwegverpackungen sind hingegen dafür konzipiert, nach dem Gebrauch mehrfach zum gleichen Zweck wiederverwendet zu werden. Ihre tatsächliche Rückgabe und Wiederverwendung muss durch eine ausreichende Logistik ermöglicht sowie durch geeignete Anreizsysteme, in der Regel durch ein Pfand, gefördert sein. Einwegkunststoffverpackungen sind dies nicht.

Die Mehrwegangebotspflicht sieht auch vor, dass

  • die alternativen Verpackungsangebote nicht teurer sein dürfen als Waren in Einwegverpackungen,
  • im Verkaufsraum und in den Medien auf alternative Angebote hingewiesen wird
  • und dass die Verpackungsangebote wieder zurückgenommen werden.

Ausnahmen und Erleichterungen gibt es hierbei für kleine Betriebe, wenn diese nicht mehr als 5 Beschäftigte oder 80m2 Verkaufsfläche haben. Zur Verkaufsfläche zählen:

  • Sitz- und Aufenthaltsbereiche (innen und außen)
  • Gänge und Sanitärbereiche
  • bei Lieferung: zusätzlich auch alle Lager- und Versandflächen

Dabei ist das gesamte Unternehmen maßgeblich und nicht die einzelne Betriebsstätte. Auch wenn die Ausnahme greift, müssen allerdings auch kleine Betriebe ermöglichen, dass von Kund:innen selbst mitgebrachte Mehrwegbehältnisse gefüllt werden können.

Hafengeburtstag 2023

Mit diesen Informationen kommen wir nun zum Hafengeburtstag und blicken darauf, wie auf einem Teil des Hafengeburtstags damit umgegangen wurde. Dafür haben wir mit Nina Laible von der Veranstaltungsagentur bergmanngruppe gesprochen, die die Fläche zwischen Strand Pauli und Fischmarkt mit ca. 20-30 Ständen bespielte. In der Überlegung, wie ein Mehrwegangebot auf dieser Fläche zu integrieren wäre, wurde sich im Vorfeld für ein Mehrweggebot ausgesprochen und klar formuliert, welche Ausnahmen für Einwegprodukte erlaubt sind. Die Entscheidung wurde getroffen, damit das Müllaufkommen möglichst reduziert wird und die Stände der bespielten Fläche als ein Vorbild zeigen können, wie ein Mehrweggebot in der Praxis gelingen kann.

So durften die Standbetreiber:innen auf Auflage der bergmanngruppe ausschließlich Mehrweg verwenden, mit Ausnahme folgender Einwegverpackungen.

  • Gerichte wie Wurst / Steak / Fischbrötchen durften im Brötchen mit Serviette verkauft werden
  • Pommes-Gerichte, Crêpes oder Falafel durften in einer Papier-Tüte, aber nicht auf Pappe angeboten werden
Foto: Nina Laible
Foto: Nina Laible
Foto: Nina Laible
Foto: Nina Laible

Getränke durften ausschließlich in Mehrweggebinden ausgegeben werden und Strohhalme nicht aus Glas oder Plastik bestehen. Alle weiteren Einweg-Produkte waren nicht erlaubt. Dies wurde von der Bergmanngruppe als Vertragspartner:in der Stände kontrolliert und ggf. sanktioniert.
Aufgrund der kulinarischen Auswahl, welche sich hauptsächlich auf Street Food und ToGo-Produkte begrenzte, hat sich die bergmanngruppe dazu entschieden, kein übergreifendes Mehrwegsystem bereitzustellen. Somit konnten individuelle Lösungen der Stände umgesetzt werden. Denn es wurden viele unterschiedliche Speisen angeboten, Mehrweg musste also verschiedene Anforderungen in Hinblick auf Temperatur und Servierart dieser Speisen erfüllen.

„Die Betreiber:innen haben vorbildlich die neuen Richtlinien eingehalten und es war auf der Fläche erkennbar, dass weniger Abfall durch den Verzicht auf Einwegprodukte entstanden ist.“ (Nina Laible, Nachhaltigkeitsbeauftrage bergmanngruppe)

Viele der Standbetreiber: innen wurden im Angebot ihrer Produkte kreativ:

  • Fish & Chips wurde in einer bepfandeten Diner-Schale mit einem Fettbarriere-Papier verkauft (siehe Foto).
  • Pizza und co. wurden auf Tellern serviert und vor Ort direkt gespült.
  • Auch in der Getränke-Gastronomie gab es eine positive Neuerung: Der Prosecco wurde aus bepfandeten Großgebinde-Fässern gezapft – so konnte auf Glasflaschen zum Einmalgebrauch verzichtet werden. Hier konnte viel Glasmüll eingespart werden.

Schwierigkeiten in der Umsetzung

Leider gibt es auch immer wieder Negativ-Beispiele auf Veranstaltungen. Veranstaltungen ohne Ticketverkauf und Einlass, wie Stadtfeste, stehen vor der Herausforderung, dass Gäst:innen Getränke und Speisen aus dem Supermarkt oder dem Bistro gegenüber mitbringen – und die Entsorgung ihres Einwegabfalls und Glasflaschen den Veranstalter:innen überlassen. Das macht es für Standbetreiber:innen noch schwieriger, die Gäst:innen für ein Mehrweg-Pfandsystem zu begeistern. Auch mangelt es bei manchen Veranstaltungen an Kontrollen, sodass zu beobachten ist, dass mitunter noch Einwegplastikbecher, Plastikstrohhalme, Plastiktüten sowie unbepfandete Dosen und Flaschen an die Besucher:innen verkauft werden.

Zwar ist der Abverkauf von Einwegplastikbechern und Strohhalmen durch Händler:innen und Letztvertreiber:innen rechtlich noch erlaubt, die Herausgabe von pfandfreien Dosen und Flaschen hingegen nicht. Bei beiden Vorgehensweisen ist die Erreichung des Ziels der Einwegkunststoffrichtlinie, bis 2026 eine ehrgeizige Verbrauchsminderung von Einwegplastik zu erreichen, fraglich.

Dies wird umso deutlicher, da an manchen Orten nicht ausreichend Abfalleimer vorhanden sind, sodass sich nach kurzer Zeit schnell viel Einwegplastikabfall auf den Böden und Sitzmöglichkeiten sammelt. Gerade entlang der städtischen Wasserwege trägt das dazu bei, dass Plastikprodukte durch Fehlwürfe, Wind und Unaufmerksamkeit in die lokalen Gewässer gelangen.

Was gegen die Mehrwegangebotspflicht spricht

Auch wenn einzelne Akteur:innen wie die Bergmanngruppe bereits mit gutem Beispiel vorangehen, halten wir die Mehrwegangebotspflicht und Einwegkunststoffverbotsverordnung in der aktuellen Form für nicht ausreichend, um das gesteckte Ziel einer ehrgeizigen Verbrauchsminderung von Plastik zu erreichen.

Zum einen gibt es bei der Mehrwegangebotspflicht aktuell schlicht das Problem mangelnder Kontrollen, sodass viele Anbieter:innen von ToGo-Gerichten diese nicht konsequent umsetzen ohne dafür sanktioniert zu werden.

Weiter sind viele Einwegalternativen, wie beispielsweise Besteck aus Holz, Teller aus Pappe oder Tüten aus sog. Bioplastik keine wirklich umweltfreundlichen Alternativen. Die Erzeugung pflanzlicher Rohstoffe verbraucht Böden, Dünger und häufig Pestizide. Anschließend müssen die Produkte ebenfalls aufwändig produziert werden und sind nach einer kurzen Nutzungsphase Abfall.

Ein weiter Punkt ist, dass die Akteur:innenvielfalt besonders auf Veranstaltungen wie dem Hafengeburtstag groß ist und eine fragmentierte Mehrwegangebotspflicht, bei der es viele Ausnahmen und kleinteilige Regelungen gibt, eher für Überforderung als für eine zukunftsgerichtete und umweltfreundliche Branche sorgt. Welche besseren Möglichkeiten gibt es, um die EU-Ziele zu erreichen?

Was für ein Mehrweggebot spricht

Um Wegwerfartikel generell zu vermeiden und die komplizierte Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht zu erleichtert, sprechen wir uns für ein einheitliches Mehrweggebot und konsequentes Verbot von Einwegplastikartikeln in Hamburg aus. Um bei einer Einführung eines Mehrweggebots die vielfältigen Akteur:innen nicht zu überfordern, wäre es in diesem Zuge nötig, infrastrukturelle Ressourcen und klare Anreize wie Förderprogramme für übergreifende Mehrweg-Poolsysteme zu schaffen. Denn es ist sinnvoll, Poolsysteme und/oder Stadtgeschirr zu nutzen, damit Verbraucher:innen es möglichst Zeit- und Ortunabhängig zurück geben können.

Dies könnte die Einführung aber auch die abschließenden Kontrollen, die tatsächlich durchgeführt werden müssen, erleichtern.

Es gibt bereits erste Städte, die ein Mehrweggebot mit Erfolg umsetzen. Beispielsweise hat die Stadt Wien im Wiener Veranstaltungsgesetz festgehalten, dass alle Veranstaltungen, die auf den Liegenschaften der Stadt stattfinden – unabhängig von der Teilnehmer:innenzahl –  und alle öffentlich zugänglichen Veranstaltungen, an denen mehr als 1000 Personen teilnehmen, ausschließlich Mehrwegsysteme einsetzen müssen. Die Stadt unterstützt dabei alle Veranstalter:innen durch eine kostenlose Beratung sowie durch kostengünstig zur Verfügung gestelltes Mehrweggeschirr.

Auch die Stadt Bremen hat ein Mehrweggebot für alle Veranstaltungen auf Flächen oder in Einrichtungen der Stadt beschlossen. So sollen ab diesem Jahr bei allen Veranstaltungen Getränke nur noch in Mehrwegbehältern und ab 2024 auch alle Speisen nur noch mit Mehrweggeschirr ausgegeben werden dürfen.

Wir sind überzeugt, dass ein einheitliches Mehrweggebot für Veranstaltungen auch der richtige Weg für die Stadt Hamburg wäre, und darüber hinaus für eine zukunftsorientierte Veranstaltungsbranche insgesamt.

Weiterführende Informationen:

Zum Schluss haben wir noch weiterführende Links für euch, unter denen ihr die aktuellen Richtlinien einsehen und euch über Tipps zum Einsatz von Mehrwegprodukten informieren könnt:

Links rund um die Mehrwegangebotspflicht:

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